Die Milchquote macht's – nicht mehr
Kühe im Stall. (Foto: franzl34/pixabay.com) |
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Kühe grasen friedlich auf einer Weide. Ihre Milch verkaufte
der Bauer zuletzt
für 29,5
Cent/kg. Seit
August 2012 liegt der Erzeugerpreis
damit erstmals
wieder unter der 30-Cent-Marke.
Seit
Monaten befindet
sich der Preis auf
einer Talfahrt. Eine
Katastrophe, vor allem für Bauern mit einer geringen
Anzahl
an Milchvieh. Die laufenden Kosten lassen sich damit
nur schwerlich decken. Kein Narr, wer dabei ans Aufhören
denkt. Denn zusätzlich zu dem enormen Preisdruck, fällt jetzt auch
noch die europäische Milchquote weg. Das
seit 1984 bestehende Instrument wurde
von der Europäischen Gemeinschaft eingesetzt, um den
Markt vor den
„Butterbergen“ und „Milchseen“ der
1980er Jahre zu
schützen und somit
die Preise für den Erzeuger stabil zu halten. Deutschland
entschied
sich damals dafür, das Modell der Produktionsquote anzuwenden.
Jeder
Milcherzeugerbetrieb konnte eine bestimmte Quote erwerben und war
somit
auf
eine vorgeschriebene
Produktionsmenge
an Milch festgelegt.
Um
die
Produktion ausweiten zu können, war es bisher nötig, Quote dazu zu
kaufen. Durch
das mehrheitliche Votum der EU-Mitgliedsstaaten wird die Milchquote
nun nach 30 Jahren zu Grabe getragen. Landwirte
können jetzt
soviel Milch produzieren, wie sie möchten. Um
einen harten Aufprall zu vermeiden, wurde die Quote bereits jährlich
um ein Prozent angehoben.
„Wachsen
oder weichen“
Deutschland
gehört neben Neuseeland,
den
USA,
Frankreich,
Australien
und
Irland bereits zu den Ländern mit den höchsten Milchüberschüssen.
Die Überschüsse wurden
bisher
zu
großen Teilen
von Asien
(mit
55% der Weltimporte, Stand
2013)
aufgekauft.
Die
Nachfrage aus China ist seit
Kurzem allerdings
rückläufig.
Auch
die Russische Föderation, die zu den Ländern mit den höchsten
Milchproduktionsdefiziten gehört, ist
ein großer Abnehmer. Doch
wird
das
aufgrund seiner Ukraine-Politik
mit EU-Sanktionen belegte Russland momentan
nicht mit Milch beliefert.
Das
übt Druck auf die Erzeugerpreise aus. Größere Milchmengen
gepaart
mit einer
geringeren
Nachfrage
werden unweigerlich zu einer
Senkung bei den Verbraucherpreisen führen. Die
Kunden wird es freuen. Doch
was ist mit den Milcherzeugern? „Der freie Markt wird einen großen
Anpassungsdruck ausüben, wachsen oder weichen“, so
sieht es Albert Trimborn aus Lohmar. Der
staatlich geprüfte Landwirt betreibt
das Bauerngut Schiefelbusch mit 60 Milchkühen. Er
gehört
zu
den kleinen Milcherzeugerbetrieben, die den extremen Schwankungen des
Weltmarktes schutzlos ausgeliefert sein
werden.
Um
sich dagegen zu wappnen, setzt der Landwirt, wie einige andere seiner
Kollegen, auf eine Direktvermarktung seiner Milch und Milchprodukte.
„Wir haben schon reagiert und verarbeiten einen Teil unserer Milch
auf dem Hof zu Käse und bieten Milch auf dem Hof direkt zum Kauf an.
Dies werden wir in Kürze durch eine Milchzapfstelle
professionalisieren. Weitere Schritte, wie das Abpacken der Milch und
der Verkauf in nahen Verbrauchermärkten sind
angedacht.“ Andere
Höfe werden auf Wachstum setzen und die
Milchviehanzahl
erhöhen.
Eine
Tendenz dazu
ist bereits
sichtbar. Denn
in allen Regionen
Deutschlands wächst die
durchschnittliche
Herdengröße.
Im
Mai 2014 wurden in Deutschland 12,7 Millionen Rinder gehalten. Zum
Jahr davor bedeutet
das einen
Anstieg von einem
Prozent.
Die
Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Höfe mit 1.000 und mehr Kühen
häufiger werden.
Eine
Entwicklung, die der
Deutsche Bauernverband wohl
genauso
begrüßt,
wie
die
Entscheidung gegen die Weiterführung der Milchquote. „Für unsere
Milchbauern ist dies ein denkwürdiger Termin. Der Milchmarkt wird
wie in den übrigen Agrarmärkten (...)
nicht mehr planwirtschaftlich verwaltet, sondern gestaltet sich durch
Angebot und Nachfrage“, erläutert der Deutsche Bauernverband auf
seiner
Verbandswebseite.
Sahen
viele Verbandsmitglieder in
der Milchquote doch
vor allem eine Geldmelkmethode der
EU.
Da
die Bauern
Millionen
Euro als Superabgabe an
Brüssel
zahlten
und
für Wachstumswünsche zusätzlich
in den Kauf von mehr Quote investieren mussten.
Dies
betraf aber hauptsächlich
Großbetriebe, denen
der Bauernverband
bis
heute große
Unterstützung zukommen lässt.
Molkerei-Multis
übernehmen den Markt
„Im
Biobereich lässt
sich die Produktion kaum erhöhen, da hier der begrenzende Faktor
nicht die Quote ist, sondern die Vorgaben
des Ökolandbaus. Ob aber die Preise für Bioprodukte in den Sog der
günstigen konventionellen Produkte geraten, kann man heute noch
nicht beantworten“, bewertet
die
Biomolkerei Söbbeke den Wegfall der Milchquote für
den Biosektor.
Die
Mehrheit an Söbbeke wurde 2013
vom
französischen Molkereiriesen Bongrain übernommen. Wie
biologische Milchwirtschaft und die Übernahme durch einen
Molkerei-Multi zusammenpassen, beschreibt
die Biomolkerei Söbbeke in
einer Pressmitteilung so:
„In
den vergangenen Jahren habe ich die Familie Bongrain gut kennen und
schätzen gelernt. Beide Familien respektieren uneingeschränkt die
Werte und die Identität der Biomolkerei Söbbeke. Mit diesem Schritt
ist die Biomolkerei Söbbeke als weiterhin selbständiges Unternehmen
auf die stark wachsenden Anforderungen des Marktes bestens
vorbereitet“.
Denn
nicht
nur bei
den Milchviehbetrieben,
sondern auch bei den Molkereien heißt es: größer und weniger. Von
1950 bis 2015 wird sich die Anzahl der Molkereien in Deutschland von
3401 auf 70 verkleinert
haben. Multinationale
Unternehmen wie Friesland-Campina oder Arla bestimmen den Markt.
Kleine Molkereien
haben da nur noch eine Chance, wenn sie sich, wie im Falle der
Upländer Bauernmolkerei, zu einer eigenen Molkerei
zusammenschließen. Denn auch in der Bio-Branche scheint kein Weg an
einer Marktbestimmung durch Großunternehmen vorbeizuführen. Sobald
die Supermärkte, allen voran die Discounter, einen niedrigeren Preis
diktieren, haben auch
die
Molkereien nicht viel entgegenzusetzen. Die
Molkereikonzerne müssen sich gegen Konkurrenten durchsetzen. Zweimal
im Jahr handeln die Konzerne neue Abnehmerpreise mit dem Einzelhandel
aus. Verschiedene
Faktoren
beeinflussen
die Verhandlungen.
Die
Milchpreise hängen natürlich auch
von
der
Nachfrage der Verbraucher ab. Börsenspekulationen
tragen aber unabhängig von der Nachfrage zu schwankenden Preisen
bei.
„Die
Tierhaltung verändert sich“
Um
für die Milchproduzenten eine Hilfe zu schaffen, die sie auf dem
freien Markt unterstützt, hat die Europäische Union die Europäische Milchmarktbeobachtungsstelle in
Leben gerufen. Aktuelle
Informationen
zu
Milchpreisen,
Produktionsmengen und -kosten sowie Entwicklungen am Weltmarkt sollen
den Bauern helfen, zeitnah reagieren zu können. Trotz
angekündigter Hilfestellung seitens der EU, sehen Kleinbauern den
Wegfall der Milchquote und den damit verbundene Wachstumsdruck auf
Milcherzeuger kritisch: „Es wird zu den selben Erscheinungen kommen
wie in den anderen „freien“ Märkten. Die einen werden sich als
Kostenanpasser zum Wachsen gezwungen sehen, wodurch sich die
Tierhaltung verändern wird. Stallhaltung
als kosteneffiziente Haltungsform wird bevorzugt werden."
Valentin
Thurn, Regisseur des Films Taste the Waste, äußert
sich in einem Interview mit dem WDR noch
kritischer:
„Je
größer ein Hof oder Betrieb ist, desto schwieriger wird es,
nachhaltig zu produzieren. Bei Betrieben ab einer Größe von 100
oder 200 Kühen werden die Tiere vorwiegend
mit Kraftfutter ernährt. Das muss aber auf dem Acker angebaut
werden. Und das ist gegenüber dem Grünland für das Klima eine
Katastrophe. Wenn man dagegen für das Futter Maismonokulturen anbaut
oder Soja - etwa in Lateinamerika, wo auch noch Regenwald abgeholzt
wird -, dann beschleunigt das die Klimaerwärmung. Deswegen ist der
gegenwärtige Trend bei der Milcherzeugung absolut katastrophal für
unsere Umwelt." Diese
weitreichenden Konsequenzen scheint in den EU-Mitgliedsstaaten
niemand in Betracht gezogen zu haben, als
die Entscheidung für eine Verbannung der Milchquote aus den
europäischen Ställen getroffen wurde.
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