13. August 2014

Der Geruch von Lavendel und verbranntem Fleisch

Rezension

Cay Rademacher: Mörderischer Mistral


Der Mistral kann zur tödlichen Gefahr werden, wenn er dem Boden Feuchtigkeit entzieht und dadurch, vor allem in der Provence, die Waldbrandgefahr erhöht. Im ersten Provence-Krimi des Journalisten und Autors Cay Rademacher wird der Mistral zwar gefährlich, doch der Mörder ist er nicht. 

Foto: LSC/pixabay.com
Der Duft von Lavendel und Thymian, eine historische Ölmühle, zirpende Zikaden. Es könnte so schön sein in der Provence, wenn Capitaine Roger Blanc nicht zwangsweise dorthin versetzt worden wäre. Mit seinen 'Pariser' Augen sieht er jedoch nur einen Haufen alter Steine inmitten einer Gegend, deren heiße Temperaturen nicht zum Aushalten sind. Hochgewachsen und blass passt er so gar nicht in diese Umgebung, mit ihren von der Sonne braun gegerbten Bewohnern, die alles etwas gemütlicher angehen. In der französischen Hauptstadt ist er als Ermittler erfolgreich gegen Korruption vorgegangen. Bei seinem letzten Fall wurde ihm dieser Erfolg allerdings zum Verhängnis. In die Einöde versetzt und von seiner Frau verlassen, ist der Kommissar, der mit seinen erwachsenen Kindern nur noch über Facebook Kontakt hat, mehr als deprimiert, als er in seiner neuen 'Heimat', dem kleinen Ort Gadet ankommt. Nach der ersten Nacht in seinem neuen Zuhause, das er von einem Onkel geerbt hat, wacht er gerädert auf. Ein Schlafsack auf einem alten Bettgestell ist schließlich nicht zu vergleichen mit seinem weichen Bett in Paris.

Auf der Polizeistation wird er zumeist von müden Augen begrüßt. Eine Ausnahme bildet sein neuer Vorgesetzter: Commandant Nicolas Nkoulou. Schon die erste Begegnung vermittelt Blanc mit wem er es zu tun hat – mit einem Paragrafenreiter, der ganz nach oben will. Als Blanc den Kollegen Marius vorgestellt bekommt, scheint der provenzalische Albtraum perfekt: Ein untersetzter Mitte 50-Jähriger, der aus allen Poren nach Wein stinkt, ist sein neuer Partner. Einziger Lichtblick ist die junge Computerspezialistin Fabienne, deren wacher und neugieriger Blick nicht so wirklich in das schläfrige Umfeld passt. Um das neue 'Dreamteam' der Polizei zu beschäftigen, weist Nkoulou ihnen einen Mordfall auf der hiesigen Müllkippe zu. Ein Mann wurde mit einer Kalaschnikow erschossen und anschließend verbrannt. Jeder hier aus der Gegend weiß was das bedeutet: eine Abrechnung unter Drogendealern aus Marseille. Nach der Begutachtung des Tatorts würden der neue Capitaine und Marius den Fall an die Kollegen in Marseille abgeben und den Rest des Tages an einem schattigen Plätzchen mit einem Glas Wein verbringen. Zu Marius' Bedauern kommt es anders. Von der verbrannten Leiche ist nicht mehr viel zu erkennen, doch die goldene Kette des Toten verrät Marius um wen es sich bei dem Opfer handelt: einen Einheimischen, dem Marius schon lange auf den kriminellen Fersen ist.

Anstelle einen Routinefall an Marseille abgeben zu können, muss sich das neue Ermittlerduo beweisen. Während sich Roger Blanc direkt an die Arbeit macht, zögert Marius. Ein Vorfall vor etlichen Jahren, in dem das jetzige Opfer der Täter war, macht Marius immer noch zu schaffen. Er konnte dem Täter nie etwas nachweisen. Eine Niederlage, die sein Selbstvertrauen zerstörte und seine Liebe zum Roséwein (auch im Dienst) erwachen ließ. Bei ihren Ermittlungen statten Roger und Marius einigen Bewohnern der Gegend, die Kontakt zum Opfer hatten, einen Besuch ab. Selbst lokale Größen müssen sie in ihre Ermittlungen einbeziehen. Doch außer der Tatsache, dass niemand den Ermordeten leiden konnte, finden sie nicht viel heraus. Dazu kommt, dass der Capitaine oft auf sich alleine gestellt ist, weil Marius nur unregelmäßig und wenn, dann vollkommen derangiert, auf dem Präsidium aufkreuzt. Ein zweiter Todesfall bringt noch mehr Verwirrung in die polizeilichen Recherchen. Als Blanc im Laufe des Falls auf die zuständige Untersuchungsrichterin Aveline Vialaron-Allègre trifft, scheinen die Verstrickungen vollends undurchdringbar: sie ist die Frau des Politikers, der Blancs Versetzung veranlasst hat. Zum Ende der Geschichte kommt dann auch der berüchtigte Mistral auf. Und dieser weht Capitaine Roger Blanc auch den Täter vor die Nase.

Fazit: Französische Krimis - ihre Titel klingen ähnlich, ihre Fälle unterscheiden sich, und auch die Landschaften in denen die Verbrechen begangen werden. In 'Mörderischer Mistral' ist die Provence der Schauplatz zweier Verbrechen. Dennoch können diese Gräueltaten der Schönheit des Landes nichts anhaben. Der Kommissar ist, wie viele seiner Kollegen, eher ein Eigenbrötler. Zum Glück sind auch die anderen Figuren, vor allem sein Partner Marius, interessant gestaltet und nehmen genug Raum in der Geschichte ein. Dass auch dieser Kommissar ohne starken Kaffee vor die Hunde zu gehen scheint und natürlich nicht umhin kommt mit der attraktivsten Frau um ihn herum eine 'Beziehung' einzugehen, tut dem Buch allerdings keinen Abbruch. Wer Frankreich-Krimis mag, dem wird auch dieser Roman gefallen.