24. November 2017

Mikrokosmos Bus



Freitagmorgen 7.15 Uhr.
Der Bus ist voll. Das liegt zum Großteil an den Schülern, die sich auf dem Weg zum Unterricht befinden. Es regnet, es ist noch dunkel. Zwischen den Schülern sitzen vereinzelt Berufstätige, Rentner, Mütter mit kleinen Kindern. Männer, Frauen, Jungen, Mädchen, Menschen mit Migrationshintergrund und ohne. Die ganze Welt versammelt in einem Bus. Ein Spiegelbild unseres Kosmos, der so aus den Fugen geraten zu sein scheint. Doch in diesem Bus begegnet mir nichts von dem Schlechten dieser Welt: Eine Rollstuhlfahrerin wird von einem grobschlächtigen Mann über die ausklappbare Rampe in den Bus geschoben. Er kennt sie nicht. Von vorne ruft der Busfahrer „Danke“, denn es wäre eigentlich seine Aufgabe gewesen, die Rampe zu bedienen. Soziale Kälte sieht anders aus. Ein mittelalter Mann sitzt neben mir. Er fasst mir nicht ans Knie. #MeNot
Ein Schüler mit türkischem Migrationshintergrund sieht eine Frau mit afrikanischem Migrationshintergrund mit Kinderwagen und kleinem Jungen einsteigen. Er räumt direkt seinen Platz und hebt den kleinen Jungen auf seinen Sitz, damit er in der Nähe seiner Mutter sein kann. Konflikt der Kulturen: Fehlanzeige. So schaukeln wir alle zusammen in der Morgendämmerung über die holprigen Straßen und in mir entsteht ein Gefühl von Gemeinschaft. Im Mikrokosmos Bus ist noch alles in Ordnung, denke ich mir und fahr noch eine Runde weiter mit.


16. November 2017

Zum Tode von Françoise Héritier



Françoise Héritier - Das ist das Leben!

Ein kleines, dünnes Büchlein liegt vor mir. Die Autorin ist Françoise Héritier, geboren 1933 und
Sozialanthropologin am Collège de France. Sie beschäftigte sich mit der Rolle der Frau in verschiedenen Gesellschaften und veröffentlichte diverse Bücher. Gestern starb sie im Alter von 84 Jahren.

Was sie in Ihrem Büchlein beschreibt, lässt uns allerdings nicht gar so traurig auf ihren Tod blicken. Die aneinandergereihten Erinnerungen, Begegnungen, Gefühle, Gerüche, Erlebnisse, die sie niedergeschrieben hat, lassen auf ein erfülltes Leben schließen. Auf ein Leben voller Besonderheiten, aber vor allem voller alltäglicher Kleinigkeiten. Viele Dinge kennt der Leser aus seinem eigenen Leben, andere – wo die Autorin z.B. mit berühmten Persönlichkeiten zusammentraf – nicht und doch vermitteln die Sätze in ihrer Gesamtheit ein Bild der Autorin, das den Leser mitempfinden lässt und die Schönheit der Banalitäten des Lebens erkennen lässt. C’est la vie!















Albrecht Knaus Verlag
112 Seiten
ISBN-13: 978-3813505276
Das Buch wurde mir freundlicherweise von der Verlagsgruppe Random House GmbH zur Verfügung gestellt.


Ein Kommissar ohnegleichen



Leif GW Persson: Der glückliche Lügner – Die Bäckström-Serie

Nach einigen sonderbaren Fällen, in denen alte Frauen, Tiere und Homosexuelle die Hauptrolle spielen, geht es für Kommissar Evert Bäckström endlich wieder bergauf: Der Anwalt Thomas Eriksson, der erst kürzlich einen Mann vor Gericht vertrat, der es auf Bäckström abgesehen hatte, wird tot in seiner Villa aufgefunden. Ausgleichende Gerechtigkeit denkt sich der Kommissar und ermittelt mit großer Schadenfreude.

Es sollte einer der besten Tage im Leben des Kommissars Evert Bäckström werden, als der berühmte Anwalt Thomas Eriksson mit eingeschlagenem Schädel in seiner Villa gefunden wird. Bäckström, der selbst noch ein Hühnchen mit dem Anwalt zu rupfen hatte, wird zum Ermittlungsleiter gemacht und sieht sich direkt mit diversen Schwierigkeiten konfrontiert. Die größte besteht aus seinem Ermittlerteam, ein fauler und minderbemittelter Haufen von dem am allerschlimmsten seine Stellvertreterin Annika Carlsson ist, so sieht es jedenfalls Bäckström. Deshalb überlässt er ihr gerne die meisten Ermittlungsaufgaben und zieht es vor, sich auf ausgiebige Mahlzeiten und Mittagsschläfchen zu konzentrieren. Bald werden im Mordfall Verbindungen zum Rockermilieu und anderen Schwergewichten aus der Verbrecherszene deutlich, was Kommissar Bäckström aber nicht überrascht - schließlich waren dies die Bevorzugten Klienten des Ermordeten. Während das Ermittlerteam fleißig neue Erkenntnisse zu Tage fördert, verlässt sich der Kommissar auf seine weit verzweigten Kontakte aus allen Bereichen, um sich dem wahren Kern des Mordes zu nähern: der Kunst. Dass am Ende dann doch alles ganz anders war, als zu Beginn gedacht, erfreut am meisten den Kommissar.

Obwohl der Mordfall wirklich spannend ist und vom Autor geschickt gestrickt wurde, ist der eigentliche Star des Buches Kommissar Evert Bäckström. Mittelalt, dick und wenig gebildet ist der Kommissar, doch sein Ego könnte nicht größer sein. Besonders stolz ist er auf seine „Supersalami“, die sämtliche Frauen um den Verstand bringt. In seinen inneren Monologen wird fast jeder mit Schimpfwörtern bedacht, außer es sind Frauen mit entsprechenden körperlichen Reizen. Seine tägliche Routine besteht aus schlafen, essen und Sex und von dieser lässt er sich durch seine Arbeit nur ungern abbringen. Dass er es trotzdem schafft Fälle zu lösen, liegt vor allem an seinen guten Kontakten, die er im Laufe der Zeit durch das „Eine-Hand-wäscht-die-Andere“-Prinzip generieren konnte. Ein politisch unkorrekter, sexistischer, eingebildeter und verfressener Kommissar sollte es eigentlich schwer haben beim Leser auf Sympathie zu stoßen, doch es war genau das, was ich für Kommissar Evert Bäckström empfunden habe. Es ist sogar so weit damit, dass ich ihn zu meinem neuen Lieblingskommissar erkoren habe. Selten hat mich ein Krimi so erfreut wie dieser.

btb-Verlag
1. Auflage 2017
653 Seiten